Eine Fabrik wird zum weltweiten Vorbild
Bis 2030 will Mercedes-Benz 70 Prozent des Energiebedarfs an seinen Produktionsstandorten durch erneuerbare Energien decken. Wie das funktionieren kann, zeigt die Factory 56 in Sindelfingen.
Das Gebäude ist von eindrücklicher Grösse und sieht aus wie aus einem Science-Fiction-Film; aussen und auf dem Dach ähnelt es einer Raumstation. Im Innern der Factory 56 werden auf einer Fläche von etwa 30 Fussballfeldern Luxusautos von Mercedes-Benz gebaut: S-Klasse, Maybach S-Klasse und die vollelektrische Limousine EQS.
Luxus, das bedeutet für den Hersteller nicht nur innovative Technik, hochwertige Materialien und elegantes Design. Für Mercedes-Benz heisst es auch, die Umwelt nicht unnötig zu belasten. Tatsächlich produzieren seit 2022 alle Mercedes-Benz Werke bilanziell CO2-neutral. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen in der Produktion gegenüber 2018 um 80 Prozent gesenkt werden. Wie das funktionieren kann, zeigt die Factory 56 in der Nähe von Stuttgart.
Ehrgeizige Ziele gesetzt
Die Factory 56 steht im Einklang mit der Ambition, bis 2039 bilanziell emissionsfrei zu werden. Verantwortlich dafür sind der Einsatz von PV-Anlagen zur Versorgung des Gebäudes mit selbsterzeugtem Ökostrom, der Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen sowie ein natürliches Regenwasser-Managementsystem via Öko-Dach, ein Gleichstromnetz und Energiespeichersysteme auf Basis wiederverwendeter Fahrzeugbatterien.
«Wir wollen, dass alle unsere neuen Fahrzeuge bis 2039 bilanziell emissionsfrei sind. Um das zu erreichen, brauchen wir eine energieeffiziente und ressourcenschonende Produktion», sagt Robin Sievers, der für die Energieversorgung aller Produktionsstandorte des Autobauers verantwortlich ist. «Mercedes-Benz gibt es schon seit über 130 Jahren – und genauso lange streben wir nach Innovationen und Spitzenleistungen.» Und das gelte natürlich auch für die Nachhaltigkeit in der Fahrzeugproduktion.
In einem ersten Schritt werde auf die Vermeidung von CO2 gesetzt, so der Experte. Dazu gehörten die Steigerung der Effizienz in der Produktion, die Umstellung auf 100 Prozent Grünstrombezug, der Ausbau von PV-Anlagen und die Optimierung in der Wärmeversorgung. In einem zweiten Schritt würden CO2-Emissionen durch Projekte kompensiert. Sievers: «Wir kompensieren seit Anfang 2022 alle CO2-Emissionen an den Produktionsstandorten, die sich bisher nicht vermeiden lassen, durch Carbon Offsets aus qualifizierten Klimaschutzprojekten.»
So grün wie möglich
Hier in Sindelfingen ist grüner Strom auch wirklich grün: Die riesige Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für 30 Prozent des benötigten Stroms. Ein Teil des Stroms fliesst in ein innovatives Gleichstromnetz, das die Energieeffizienz der Halle im laufenden Betrieb optimiert. Damit werden beispielsweise Lüftungsgeräte betrieben. Auch an das Netz angeschlossen ist ein Energiespeicher auf Basis von wiederverwerteten Fahrzeugbatterien. Mit einer Kapazität von 1‘400 kWh dient er als Zwischenspeicher für den auf dem Dach gewonnenen Solarstrom.
Der übrige CO2-freie Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft wird in verschiedenen Kraftwerken überwiegend in Deutschland erzeugt. Dazu gehören ein 60 Fussballfelder grosser Teil eines Solarparks sowie zahlreiche Windparks mit insgesamt mehr als 160 Windrädern. Ergänzt wird der Mix um Strom aus flexiblen Wasserkraftwerken.
Erst der Anfang
Verwundert es da, dass die Factory 56 globales Vorbild ist? Tatsächlich haben die Fortschritte des Werks dazu geführt, dass die Factory zu einer Blaupause für umweltfreundliche Produktionsmethoden geworden ist und Konzepte von hier nach und nach auf alle Mercedes-Benz Werke weltweit übertragen werden. Denn der Konzern strebt an, die lokale Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Energie an allen Standorten zu erhöhen.
Er beabsichtigt, den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiebedarf der eigenen Produktionsstätten auf 70 Prozent zu erhöhen, nicht zuletzt durch den Ausbau der Erzeugungskapazität vor Ort. Mercedes-Benz setzt dabei nicht zuletzt auf zusätzliche Photovoltaikanlagen an den eigenen Standorten: Bis zu 140 Megawattpeak (MWp) sollen bis 2025 installiert werden. Das entspricht einer Million Quadratmeter neuer Solarpaneele. Alles in allem will das Unternehmen rund die Hälfte seiner benötigten Elektrizität in Deutschland mit Grünstromanlagen selbst produzieren, respektive von Partnern produzieren lassen.
Auch der Mensch im Zentrum
Beim Thema Nachhaltigkeit geht es aber nicht allein um Emissionen. Es geht auch um Menschen und eine moderne Arbeitswelt, die individuelle Bedürfnisse stärker berücksichtigt. Im Mittelpunkt des Investments in die Factory 56 stehen deshalb auch die Beschäftigten. Für sie bedeutet Nachhaltigkeit unter anderem Flexibilität und Zufriedenheit bei der Arbeit. So bringen etwa Fördersysteme oder mobile Plattformen die Fahrzeuge in für die Angestellten ergonomisch günstigste Positionen. Die Blue-Sky-Architektur der Halle ist besonders lichtdurchlässig und unterstützt mit Tageslicht ein angenehmes Arbeitsklima. Und rund 40 Prozent der Dachfläche sind extensiv begrünt. Damit wird neben einem Ausgleich versiegelter Bodenflächen und einer Regenwasserrückhaltung auch eine Verbesserung des Raumklimas in der Halle erreicht.