Driving tomorrow

Innovative Nach­haltig­keit und Luxus – ein Widerspruch?

Innovationen sind Treiber für nach­haltige Veränderungen. Energie-Experte Prof. Dr. Armin Eberle erläutert am Beispiel der E-Mobilität, welche Rolle Innovationen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Luxus­anspruch und Alltagstauglichkeit spielen.


Innovationen werden aus Not geboren, heisst es. Ein Beispiel dafür sind Neuerungen für mehr Nachhaltig­keit. Denn: Wollen wir Klima­ziele erreichen, sind Veränderungen unver­zichtbar. Bereits heute tragen technische Neuerungen wesentlich zur Reduktion von Emissionen bei.

Neue Wege in eine nachhaltige Zukunft sind auch bei vielen Unternehmen derzeit Thema Nummer eins. Doch woran erkennt man, dass es eine Firma ernst meint? Laut Armin Eberle müssen Unternehmen messbare Ziele kom­munizieren: «Idealerweise wissen­schaftlich gestützt, etwa nach der Science-based Targets Initiative SBTI» und auch deren Erreichung über ein Monitoring aufzeigen.

Armin Eberle weiss, wovon er spricht. Er ist Dozent an der ZHAW und leitet das Institut für Nachhaltige Entwicklung an der School of Engineering. Der Ingenieur ETH und Ökonom befasst sich seit über 20 Jahren mit Energie-, Mobilitäts- und Ressourcenthemen und kennt sowohl die Forschungssicht als auch die Praxis aus Nutzer- und Anbieterperspektive. Er sagt, dass Unternehmen ihren Kunden «trans­parente, nachvollziehbare und aussage­kräftige Indikatoren zur Verfügung stellen müssen», um ihre Absichten glaubwürdig erscheinen zu lassen. «Diese Ziele und Indikatoren sollten die Firmen proaktiv kommunizieren – und von unabhängiger Stelle prüfen lassen.»

Trotz lobenswerter Ziele der Firmen ändert das aber nichts an der Tatsache, dass Verkehr per se nicht nachhaltig ist. Wie glaubwürdig sind solche Pläne also? Unternehmen wie Auto­hersteller, die für grosse ökologische Belas­tungen verantwortlich sind, hätten einen grossen Hebel und könnten viel bewirken, sagt Eberle. «Allerdings stehen ihnen auch Barrieren im Weg. Graduelle Verbesserungen sind insofern heikel, als dass sie als Green­washing verstanden werden können. Umgekehrt sind tiefgreifende Änderungen beim Aktionariat schwer durchsetzbar. Allerdings versteht dieses zunehmend, dass Auto­fahren nach­haltiger werden muss – und der Markt diejenigen bestrafen wird, die das zu spät realisieren.»

Nachhaltigkeit als Marktchance

Die Akzeptanz von Veränderungen durch Innovationen ist deshalb mass­geblich auch von ihrer Wirtschaft­lichkeit abhängig. Doch Profit und Nachhaltigkeit – geht das zusammen? In Nachhaltigkeits-Rankings würden sich durchaus Firmen finden, die sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich erfolgreich unterwegs sind, sagt Eberle. «Als Beispiel könnte ich den Fleischersatz Planted oder die CO2-Lösung Climeworks nennen. Grosses wirtschaftliches Potenzial sehe ich zudem vor allem in innovativen Technologien zur Energieproduktion oder -speicherung, sowie in Digitalisierungslösungen wie Internet of Things oder Smart Grids.»

Armin Eberle am Laptop sitzend

Doch sollte Nachhaltigkeit für moderne Unternehmen nicht auch selbst­verständlich sein? Mercedes-Benz etwa stellt sich auf den Standpunkt, dass es zum nachhaltigen Wirt­schaften keine Alternative gibt. «Nach­haltigkeit hat viele Bedeutungen. Es heisst auch, von den erwirtschafteten Zinsen zu leben und das Kapital nicht zu verbrauchen. Es bedeutet, so zu wirt­schaften, dass das Unternehmen in zehn bis 20 Jahren noch im Markt ist», erläutert Eberle. Es gelte, Risiken aus der Abhängigkeit von fossilen Energien möglichst rasch zu eliminieren. Auf der anderen Seite würden Unternehmen nicht nur Kunden gewinnen, sondern auch Kapital erhalten. Nicht umsonst zeigt der Dow Jones Sustainability Index, dass Nach­haltigkeit die Aktienperformance nicht behindert. Eberle: «Angesichts zunehmender Sensibilisierung der Kundschaft erweist sich nachhaltiges Wirtschaften als Marktchance».

Grüner Luxus muss kein Widerspruch sein

Auf Kundenseite ist es indes oft so, dass «grün» nur dann in Ordnung ist, solange es das Portemonnaie nicht tangiert. Erfahrungen, Fakten und Vorbilder würden diesem Denken entgegenwirken, sagt Eberle: «Im Bereich der Mobilität sind Fahrzeuge auch attraktiv, die die Überlegenheit inno­vativer und ökologischer Antriebstechnologien unterstreichen». Auch der Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Luxus werde sich auflösen, sobald der Premiumanspruch nicht länger mit Leistung oder Modekonsum gleichgesetzt werde. Tatsächlich sei der Preisaufschlag für Nachhaltigkeit bei Käufern von Luxusprodukten sogar weniger relevant als bei Billigprodukten.

Eberle: «Nachhaltigkeit ist heute mit Prestige verbun­den und kann Luxus­produkte noch wertvoller machen. Sofern sich solche Produkte durch Langlebigkeit, Qualität und Reparaturfreundlichkeit definieren, schonen sie zudem die Ressourcen deutlich mehr als vergleichbare Billigprodukte».

Dauerthema Ladestress

Eine Rolle spielt auch die Alltagstauglichkeit. Innova­tionen können noch so günstig, auf­regend, nachhaltig oder modern sein – wenn sie den Praxistest nicht bestehen, werden sie sich nicht durchsetzen. Bei der E-Mobilität manifestiert sich das am Dauer­thema Laden. Tatsächlich scheint die Lade­infrastruktur in der Schweiz im Moment knapp. «Sie muss vergrössert werden», bestätigt Armin Eberle. Das hat auch der Kantonsrat Zürich kürzlich erkannt und fördert die Infrastruktur mit 50 Millionen Franken. (Quelle: 50 Millionen für Ladestationen: Kantonsrat Zürich fördert E-Autos | Tages-Anzeiger)

Armin Eberle im Flur stehend

Doch ist nicht auch der Staat gefordert, etwa mit gesetzlichen Vorgaben bei Neubauten? Im öffentlichen Raum sollten Lade­stationen ein Thema werden, da längst nicht alle Auto­besitzer über eigene Garagen verfügen, sagt Eberle. Natürlich können auch Hersteller selbst in Ladeinfrastruktur investieren, wie das einzelne bereits tun. «Wichtig aber ist, dass das System offen für alle bleibt. Letztlich kommen wir schon weit, wenn das Laden zu Hause, in Parkgaragen oder am Arbeitsplatz generell einfach möglich wird.»

Stimmt die Infrastruktur, ist dann auch der Boden geschaffen für innovative Ansätze in allen Bereichen. Allerdings sind viele Inno­vationen heute schon Realität und im alltäg­lichen Einsatz. Als Verfasser dieses Artikel nennen wir hier das Beispiel Green-Charging, mit dem Mercedes-Benz sicherstellt, dass für das Laden von E-Fahrzeugen eine äquivalente Strommenge aus erneuerbaren Energien ins Stromnetz eingespeist wird.

Konkret bedeutet das, dass die geladenen Energie­mengen nach dem Ladevorgang durch Grünstrom ausgeglichen werden. «Entschei­dend – und über kurz oder lang auch machbar – ist der Bezug von Strom aus erneuer­baren Quellen», sagt Armin Eberle. Doch eigentlich gibt es heute schon kaum Argumente gegen die Innovation E-Mobilität. Denn: «Auch mit EU-Strommix sind E-Autos klar klimafreundlicher als fossilbetriebene Autos, bei denen ein Grossteil der Energie als Wärme verpufft».

Mercedes-Benz – Glaubwürdigkeit dank konkreter Ziele

Mercedes-Benz ist ein gutes, weil sehr konkret kom­munizierendes Beispiel für ein Unter­nehmen mit glaubwürdigen nachhaltigen Absichten. Der Automobil­hersteller hat angekündigt, bis zum Ende dieses Jahrzehnts vollelektrisch zu werden und seinen CO2-Fussabdruck pro PKW um mehr als die Hälfte gegenüber 2020 zu verringern. Bis 2039 soll die gesamte Wertschöpfungskette in der Neufahrzeugflotte bilanziell CO2-neutral sein. Dafür investiert das Unternehmen unter anderem in den Bau einer CO2-neutralen Recyclingfabrik, und auch die Kreislauf­wirtschaft wird als wichtiges Element in den Produktionsprozess implementiert.